Gute Nachrichten, trotz allem

Wieso 2024 uns weiterbringen wird und wie ein Ärger aus der Vergangenheit ein gutes Ende nahm.

Sehr geehrte Frau Verlegerin
Sehr geehrter Herr Verleger and everybody beyond!

Sind Sie auch skeptisch, ob 2024 besser wird als seine Vorgänger? Die Anzahl von Krisen und Katastrophen scheint sich mit jedem Jahr zu verdichten, die Heraus­forderungen an jede Einzelne von uns scheinen immer grösser zu werden.

Trotzdem sind Mut und Zuversicht angebracht, wie uns die Berner Philosophie­professorin Rahel Jaeggi kürzlich erklärt hat:

Fortschritt, sagt Jaeggi, «ist so etwas wie eine kompetentere Form der Problem­lösung». Denn Gesellschaften müssen permanent Probleme lösen. Geraten sie in Krisen, die sie nicht mit den gewohnten Mitteln bewältigen können, müssen sie lernen, diesen auf neue Arten zu begegnen. Jaeggi sieht deshalb Fortschritt nicht als Entwicklung «hin zu» einem bestimmten Ziel, sondern «weg von» einem bestimmten Problem oder Missstand. Er entsteht durch den Lern­prozess und die Erfahrungen bei der Bewältigung bisher unbekannter Krisen.

Aus Jahren wie diesen entwickelt sich Fortschritt – und wir haben es auch 2024 durch unsere Entscheidungen und Handlungen mit in der Hand, dass er eine Veränderung zum Besseren bringt.

Dafür spielen unabhängige Medien wie die «Republik» eine wichtige Rolle. Denn damit Sie vernünftige Entscheide treffen können, brauchen Sie Fakten und Zusammen­hänge. Wir recherchieren, fragen nach, decken auf und ordnen ein – und liefern Ihnen die Grund­lage für Ihre eigenen Überlegungen.

Ich komme an Bord!

Gute Nachrichten

Und damit zu den ersten guten Nachrichten des Jahres: Im Herbst 2022 schrieben wir Ihnen, dass eine Steuer­rückstellung von knapp einer Million unser eigentlich positives Jahres­ergebnis ins Minus reisst. Nun können wir aufatmen: Die Steuer­behörden haben nach Prüfung unserer Selbst­anzeige entschieden, dass wir ihnen kein Geld schulden. Wir konnten die gesamte Rückstellung von 930’000 Franken auflösen.

Weil wir Ihnen versprochen haben, dass wir die Sachlage nach Abschluss der Prüfung durch die Behörden genauer erklären würden, erzählen wir Ihnen jetzt die Geschichte eines Ärgers aus der Vergangenheit – mit gutem Ende:

Eine der Überraschungen bei der Gründung der «Republik» war, wie viele Jahre wir brauchten, um einen überzeugenden Plan zu entwickeln. Und wie wenige Monate, um 3,4 Millionen Franken Risiko­kapital zu sammeln.

Das Gespräch, das den endgültigen finanziellen Durch­bruch brachte, fand im Herbst 2016 statt.

Wir stellten unser Projekt einer gross­herzigen Person vor.

Nach einer Stunde sagte diese: «Jetzt kommen Sie doch bitte zur Sache.»

«Zur Sache?»

«Ja – wie viel?»

«Unsere Traum­vorstellung wäre eine Million.»

«Wenn das so ist, können wir das mit Hand­schlag erledigen.»

Und so lief es auch – nur dass aus einer Million eineinhalb wurden.

Das Problem war, dass die gross­herzige Person kein Interesse an der Beteiligung an einem Medium hatte. Und drei Bedingungen stellte: a) das Geld zu spenden, b) von uns dann nie wieder zu hören, c) dass ihr Name nie genannt werde.

Darauf vergingen fünf Jahre. Im Sommer 2021 bereiteten wir Unterlagen für die Steuer­behörden vor. Und entdeckten, dass wir möglicher­weise ein Problem haben könnten: Die gross­herzige Person hatte die 1,5 Millionen nicht persönlich überwiesen, sondern im Namen ihrer Stiftung. Und Spenden von Stiftungen können in manchen Kantonen als Schenkungen behandelt werden, auf die eine erhebliche Schenkungs­steuer anfällt. Im Kanton Zürich ist dies nicht der Fall, weswegen wir diese Möglichkeit 2018 nicht berücksichtigt hatten. Doch die Spende kam aus einem anderen Kanton.

​Unsere Anwälte sagten, dass das Schenkungs­steuer­recht in solchen Fällen nicht eindeutig geregelt sei, und rieten uns zu einer Selbst­anzeige beim Steueramt. Was bei enger Auslegung bedeutet: eine Schenkungs­steuer von bis zu 820’000 Franken.

Wir befolgten den Rat, auch wenn wir wussten, dass er uns möglicher­weise teuer zu stehen kommen könnte. Denn unsere Haltung ist klar: Wir sind transparent. Und wir stehen zu unseren Fehlern, egal wie idiotisch, egal wie peinlich, egal wie teuer sie sind.

Inzwischen bestätigt ein Bundesgerichts­entscheid vom Sommer 2023, dass Spenden von Stiftungen normaler­weise keine Schenkungen sind. Und die Steuer­behörden bestätigten uns, dass wir für die Gross­spende keine Steuer­gelder schulden. Ausserdem schulden wir auch keine Mehrwert­steuer für interne Verrechnungen, für die wir zusätzliche 110’000 Franken zurück­gestellt hatten – auch dies bestätigten die Behörden. Wir sind erleichtert – weil uns das Geld etwas mehr Zeit gibt, die Verkaufs­zahlen zu stabilisieren und Einnahmen und Ausgaben auszubalancieren.

Dass wir transparent waren, haben wir nie bereut. Weil man so etwas wie eine Haltung nur besitzt, wenn sie auch dann gilt, wenn es unangenehm wird. Und weil wir unser Versprechen transparenter Kommunikation Ihnen gegenüber, liebe Chefinnen, aufrecht­erhalten.

Denn unsere Zukunft liegt nicht in den Händen der Steuer­ämter, sondern in Ihren.

Der wichtige Januar

Um nachhaltig planen und wirtschaften zu können, sind wir darauf angewiesen, dass die Zu- und Abgänge von Verlegerinnen sich die Waage halten. Bei einer durch­schnittlichen Erneuerungs­rate von 75 Prozent heisst das, dass wir im Durch­schnitt monatlich rund 600 von ihnen ersetzen müssen. Sinkt die Erneuerungs­rate, steigt damit auch der Druck auf unsere Verkäufe.

Lassen Sie uns einen Blick auf die Zahlen werfen: Im seit Juli laufenden Geschäftsjahr liegt die durch­schnittliche Erneuerungs­quote ein wenig tiefer als im jährlichen Schnitt, nämlich bisher bei knapp 72 Prozent. Das ist nicht verwunderlich, denn der Januar ist der Monat, in dem einerseits die grösste Anzahl Erneuerungen pro Jahr ansteht und andererseits die Erneuerungs­quote regelmässig deutlich über 80 Prozent liegt. Sollten Sie also diesen Monat verlängern müssen, sind Sie nicht nur mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Unter­stützerin der ersten Stunde (die «Republik» startete am 15. Januar 2018), sondern Sie spielen auch eine über­durchschnittlich wichtige Rolle für unser Jahres­ergebnis. Verlängern zum Beispiel in diesem Januar nur 75 Prozent statt wie im letzten Jahr 85 Prozent von Ihnen, fehlen uns knapp 159’000 Franken – das ist mehr als eine ganze Vollzeit­stelle. (Sollten Sie einen genaueren Blick auf die Verkäufe werfen wollen – hier entlang zum Cockpit.)

Es kommt für das Bestehen der «Republik» auf jeden Einzelnen an. Es macht einen Unterschied, ob Sie sich für eine Verlängerung Ihrer Mitgliedschaft entscheiden. Uns ist klar: Dass Sie das tun, ist nicht selbst­verständlich. Aber es ist das wichtigste Ziel unserer täglichen Arbeit.

Wir danken Ihnen für Ihre Unter­stützung. Welche Heraus­forderungen 2024 auch immer bereithält, wir werden Sie dabei begleiten – und gemeinsam Fortschritte machen.

Ihre Crew von Project R und der «Republik»

PS: Erinnern Sie sich noch daran, dass Edward Snowden die Welt darüber informierte, dass amerikanische Geheim­dienste nach Belieben unsere Kommunikation mitlesen? Nun, auch in der Schweiz gibt es Massen­überwachung, wie eine neue Investigativ­serie unserer Tech-Reporterin Adrienne Fichter diese Woche aufdeckte – und das, obwohl der Bundesrat uns vor sieben Jahren das Gegenteil versprochen hatte.

PPS: Warum wird in der Schweiz eigentlich derart viel abgerissen? Und welche ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen hat das? Die Antworten auf diese Fragen liefert ein neuer «Republik»-Schwerpunkt, dessen Auftakt wir heute publiziert haben.

PPPS: Seit Montag steht der ehemalige Innen­minister Gambias vor dem Bundes­strafgericht in Bellinzona – es ist erst das zweite Mal, dass in der Schweiz ein Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt wird. Was dabei auf dem Spiel steht und was seine Opfer sagen, lesen Sie in unserer umfassenden Recherche.

PPPPS: Sie wollen die «Republik» wieder einmal live erleben? In den nächsten Wochen stehen gleich zwei spannende Veranstaltungen auf dem Programm: Zusammen mit «Correctiv» sind wir am 17. Januar im Kunstraum Walcheturm und reden darüber, warum und mit welchen Folgen in der Schweiz so viel abgerissen wird. Und am 29. Januar kommt unsere Kolumnistin Kia Vahland zur Lesung aus ihrem neuen Buch und zum Gespräch mit Feuilleton-Redaktor Daniel Graf ins Cabaret Voltaire.

PPPPPS: Und noch eine gute Nachricht zum Schluss: Seit dem 14. Juni 2019 werten wir Monat für Monat aus, wie viele Beiträge in der «Republik» von Frauen, wie viele von Männern verfasst werden. Eine Auswertung, die sehr häufig eine männliche Mehrheit zeigte. 2023 war das erste Jahr, in dem über alle Monate hinweg die Autorschaft von Männern und Frauen ziemlich ausgeglichen verteilt war.

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