Masha Foya

Gegen die Verwirrung

Die «Republik» soll eine Begleiterin durch finstere Zeiten sein. Wo das klappte, wo’s haperte – und wer neu an Bord kommt.

Sehr geehrte Frau Verlegerin
Sehr geehrter Herr Verleger
and everybody beyond

Am Ende warten die Echsenmenschen. Das sagt Ihnen nichts? Es geht da um die Theorie, dass Ausser­irdische auf der Erde schon lange die Macht übernommen haben. Dass in der Haut von Politikerinnen, Bankern, Industrie­magnaten in Wirklichkeit böse Echsen stecken, die die Menschheit unterjochen wollen.

Klingt abstrus – klar. Aber viele Menschen glauben daran. Oder sind auf dem Weg dahin, es zu glauben. Die meisten davon nicht, weil sie durch­geknallt sind, sondern weil sie irgendwann im Strudel von Falsch­meldungen, materieller Verzweiflung oder Angst den Faden verloren haben. Und weil es Profis gibt, die davon leben, genau diese Menschen immer tiefer in den Kaninchen­bau zu locken. Menschen wie diejenigen Schweizer Medien­macher und Influencer, die in der Schweiz am rechten Rand seit Jahren ein Medien­biotop aufbauen, in dem Fakten keine Rolle mehr spielen. Im Zweiteiler «Die Infokrieger» haben wir Ihnen diese Profis letzte Woche vorgestellt.

Verschwörungserzählungen, sagt die Forschung, haben immer dann Hoch­konjunktur, wenn alles andere scheinbar den Bach runtergeht. Wie in diesen Tagen also. Krieg in der Ukraine, Omikron­welle, Inflation, Hitze, das Ende der verfassungs­mässig garantierten Autonomie von Frauen über ihren eigenen Körper in den USA – all das desorientiert und beängstigt. Und macht sorgfältigen und unabhängigen Journalismus wichtiger denn je.

Das letzte Mal hörten Sie auf diesem Weg Anfang März von uns, eine Woche nach Kriegs­beginn. Waren wir Ihnen seither eine nützliche Begleiterin? Haben Sie in der «Republik» Orientierung und Klarheit gefunden?

Hoffentlich ja. In einem gewichtigen Fall finden wir aber: wahrscheinlich nicht. Den möchten wir Ihnen gerne zuerst kurz schildern.

Danach geben wir Ihnen ein Update, was sonst seit März geschah.

Ukraine ≠ Corona

Kurz nach dem russischen Einmarsch entschieden wir: Jetzt ist nicht die Zeit für Knausrigkeiten. Wir lancierten einen Ukraine-Newsletter, in dem wir von Anfang März bis Ende April jeden Samstag alles, was wir zum Krieg in der Ukraine und zu seinen Folgen publiziert haben, frei zugänglich machten – ergänzt durch wöchentliche Bild­beiträge von Illustratorinnen aus der Ukraine.

Sprich: Wir verschenkten den Grossteil unserer Bericht­erstattung zu dem Thema der Stunde.

Das hat überhaupt nicht funktioniert.

Anders als beim Covid-19-Uhr-Newsletter, mit dem wir zum Zeitpunkt seiner Einstellung noch über 40’000 Leserinnen durch die Pandemie begleiten durften, gab es nur gerade 527 Neuanmeldungen. Ein auf den ersten Blick erstaunlicher Misserfolg. Auf den zweiten Blick immer noch ein Misserfolg, aber ein weniger erstaunlicher. Chefredaktor ad interim Oliver Fuchs fasst zusammen:

«Gleich bei Kriegsausbruch versuchten wir wieder, einen kostenlosen täglichen Newsletter zu lancieren. Aber ein Krieg in Osteuropa ist für unsere Redaktion eine andere Schuh­nummer als eine Pandemie vor der Haustür. Wir wollten darum unbedingt mindestens eine Journalistin an Bord holen, die sich in der Ukraine richtig gut auskennt. Hätte fast geklappt – aber eben nur fast. Stattdessen haben wir sämtliche Beiträge zum Krieg jeden Samstag gratis verteilt. Damit fehlte aber eigentlich alles, was den Covid-19-Uhr-Newsletter auszeichnete: Einordnung, Orientierung und das tägliche Ritual.»

So viel also auf der Negativ­seite. Nun dazu, was erfreulich gut geklappt hat.

Ihre Grosszügigkeit

In den Tagen nach dem russischen Einmarsch boten wir Ihnen auch an, die «Republik» für 8 Wochen an Freunde, Familie, Bekannte zu verschenken.

Es hat uns sehr gefreut, dass über 3000 von Ihnen dieses Angebot angenommen haben. Um genau zu sein: Es wurden seit 1. Januar insgesamt 11’392 Personen (Datenstand 29. Juni 2022) von Ihnen eingeladen, die «Republik» Probe zu lesen. Im Rahmen der 8-Wochen-Aktion im März haben 3348 Verlegerinnen insgesamt 9760 Einladungen ausgesprochen. Das sind durchschnittlich 2,9 Einladungen – und knapp 3 Freunde pro Person.

Oder waren es Feindinnen?

Tatsächlich tun wir uns mit der Interpretation Ihres Privat­lebens, liebe Verleger, etwas schwer, denn: Nur etwas über die Hälfte der Eingeladenen hat die Einladung auch angenommen – insgesamt 5199 dieser Zugänge wurden eingelöst. Aber immerhin 342 Personen haben ihre Testzugänge vom März bisher schon in Jahres­mitgliedschaften oder Monats­abonnemente umgewandelt – herzlich willkommen an Bord! Und sollten Sie gerade gemerkt haben, dass Sie bei Ihren Einladungen jemanden vergessen haben: Sie können die «Republik» auch weiterhin für 21 Tage kostenlos teilen.

Besonders freuen würde uns, wenn Sie auf diesem Weg noch mehr Frauen (überhaupt alle, die sich nicht als Männer verstehen) auf dieses Magazin aufmerksam machten. Denn gerade dem Dialog­bereich würde das sehr guttun. Dort reden nämlich momentan überwiegend Männer mit Männern.

Was uns neulich bewog, Sie, liebe Chefinnen, zu fragen, wieso das so ist. Über die Hunderte Rück­meldungen von Ihnen dazu sind wir sehr froh. Wir werden uns bemühen, möglichst viele davon umzusetzen.

Abgesehen davon werden wir weiterhin daran arbeiten, nützlicher für Sie zu werden. Wir freuen uns zum Beispiel über den Erfolg der synthetischen Stimme und haben verstanden, dass für viele von Ihnen ein auditiver Zugang zur «Republik» sehr willkommen ist – dazu hören Sie nach dem Sommer mehr.

Neue Gesichter im Rothaus

Nur bringt die beste Vorlese­funktion nicht viel, wenn es nichts Schlaues vorzulesen gibt.

Deswegen wollen wir die Gelegenheit nutzen, Ihnen an dieser Stelle einen kurzen Überblick über die letzten Entwicklungen in der Rothaus-Crew zu geben:

Neben der Abwesenheit von derzeit zwei Kolleginnen, die im Mutterschafts­urlaub sind und auf deren Rückkehr im Herbst wir uns – sehr eigennützig – freuen, mussten wir seit unserem letzten Update im Community-Team, in der Produktion und im Inland je einen Abgang verkraften.

Wir würden lügen, wenn wir behaupten würden, dass uns diese drei Entscheide nicht schmerzen. Aber wie man so sagt: Sie sind nicht zu ersetzen – doch ihre Stellen werden neu besetzt. (Beziehungsweise: wurden. Mehr dazu gleich.)

  • Arjuna Brütsch hat Empathie, Haltung und Einsatz in die Community gesteckt. Wenn Sie je kontakt@republik bemüht haben, dann sass oft sie am anderen Ende. Ihre Stelle übernahm im Mai ein Kollege. Mehr dazu gleich.

  • Katrin Moser hat das Produktions­team in Richtung «Beobachter» verlassen. Sie war im Rothaus Fels in der Brandung. Und in den allerbesten Momenten auch noch Brandung am Fels.

  • Inland-Reporterin Anja Conzett. Ihre klugen Recherchen und furchtlosen Reportagen haben die «Republik» von Beginn an entscheidend mitgeprägt – darunter zum Beispiel die Serie über das Bündner Baukartell. Anja beginnt nun ein Jusstudium, wird der «Republik» aber als freie Mitarbeiterin erhalten bleiben.

Nun zu den Neuzugängen, die wir Ihnen vermelden können.

In der Redaktion konnten wir drei neue Crew­mitglieder gewinnen.

  • Cornelia Eisenach startete schon im Mai als Wissenschafts­journalistin. Die passionierte Rechercheurin hat zuvor als Redaktorin im Wissenschafts­magazin «Higgs» geglänzt. (Kommende Woche werden Sie von ihr ein grosses Erklär­stück zu Long Covid lesen.)

  • Angelika Hardegger stösst im Herbst zum Inland­team. Sie hat sich mit ihren Reportagen und Analysen im Inlandteil der NZZ einen Namen gemacht und diese Woche den Zürcher Journalistenpreis erhalten – an dieser Stelle nochmals herzliche Gratulation! Wir sehen uns im Oktober.

  • Timo Kollbrunner wird sich als Redaktor auf Ausland­themen und internationale Vernetzung fokussieren. Der erfahrene Rechercheur wechselt von der Menschen­rechts-NGO Public Eye zu uns. Im September legt er los.

Und hinter den Kulissen:

  • Sourivanh Thalong ist als Nachfolger von Arjuna Brütsch im Community-Support gestartet. Der studierte Publizist wechselt aus dem Musik­business zurück in die Medien­branche. Er dürfte Ihnen schon im Dialog begegnet sein.

  • Nina Herzog verstärkt uns in der HR- und Finanz-Administration. Zuvor war sie 15 Jahre lang Geschäfts­leiterin der «Kreuzlinger Zeitung». Ihr kühler Kopf an hektischen Tagen hat uns bereits mehrfach beeindruckt.

Nun zur Produktion. Hier haben wir ausgebaut. Neu dabei:

  • Boas Ruh kommt am 1. August als Produzent an Bord. Der gebürtige Schaffhauser kennt präzises Arbeiten: Bevor er in den Journalismus eingestiegen ist, war er auch einmal Kondukteur bei den SBB. Nach einem Journalismus­studium ist er über mehrere Stationen bei der NZZ gelandet, wo er in verschiedenen Funktionen tätig war, zuletzt als Leiter Produktion des «NZZ Magazins» der «NZZ am Sonntag».

  • Silvana Iannetta wird ebenfalls am 1. August als Produzentin beginnen. Sie bringt einen reichen Erfahrungs­schatz mit: Alle Titel aufzuzählen, bei denen die gebürtige Urnerin bislang als Journalistin und Produzentin tätig war, würde den Rahmen dieses Newsletters sprengen. Zuletzt arbeitete sie als Text­produzentin für die «Sonntags­Zeitung» und den Mantel­teil von Tamedia.

Leiten wird die Produktion künftig Reto Aschwanden, der 2020 als Dienst­redaktor ins Rothaus kam – und im letzten Halbjahr die Chef­redaktion als Chef vom Dienst unterstützte.

  • In dieser Funktion beerbt ihn Karen Merkel. Sie übernimmt ab Mitte Juli als Chefin vom Dienst. Ihre Karriere führte sie vor allem durch Wirtschafts­ressorts und -zeitungen, etwa bei «Die Welt» in Berlin und bei der «Handels­zeitung». Dort wirkte sie zuletzt als redaktionelle Leiterin für die Bezahl­inhalte. Sie war Blatt­macherin für Print und Online und hat auch immer wieder die Verantwortung für strategische Projekte übernommen.

Allen schon jetzt ein herzliches Willkommen!

Sie können sich denken, dass wir mit diesem neuen, deutlich grösseren Produktions­team und einer neuen Chefin vom Dienst bald um einiges schlagkräftiger sind.

Wie wir diese Schlagkraft einzusetzen gedenken – dazu hören Sie mehr im Herbst.

Wir denken jedenfalls nicht im Traum daran, den «Infokriegern» das Feld zu überlassen.

Und übrigens: Bei Echsen wächst das Schuppen­kleid nicht mit. Früher oder später müssen sie sich also alle häuten.

Ihre Crew von Project R und der «Republik»

PS: Wenn Sie, liebe Verlegerin, lieber Verleger, weitere Wünsche, Kritik oder Ideen haben dazu, wie die «Republik» Sie in diesen Zeiten begleiten kann, reden Sie mit uns im allgemeinen Dialog.

PPS: Apropos Audio: Sie suchen noch nach der perfekten Playlist für den Weg ins Büro, den Nachmittag in der Badi oder den Abwasch am Abend? Wie wäre es mit «Vorgelesen»? Ein «Republik»-Beitrag pro Woche, eingelesen von unseren professionellen Sprecherinnen. Sie finden uns auch auf Apple, Spotify oder wo immer Sie Ihre Podcasts hören.

PPPS: Sie wollen sorgfältigen, unabhängigen Journalismus unterstützen, sind aber noch kein Verleger? Schliessen Sie eine Mitgliedschaft ab!

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