Der Finanzierungsplan der Republik AG

Alles zu Macht, Geld und juristischem Neuland: Wie die Redaktion möglichst unabhängig wird – und welchen Einfluss unsere rund 14'500 Verleger haben.

Ladies and Gentlemen,

beim Crowdfunding versprachen wir Ihnen den vollständigen Überblick über die Finanzierung der «Republik». Wenn wir uns richtig erinnern, sprachen wir von der «transparentesten Aktiengesellschaft der Schweiz». (Bescheidenheit gehörte nicht zu unseren besten Verkaufsargumenten.)

Nun ist es Zeit, das Versprechen zu halten. Aber vor der Lektüre eine Warnung: Transparenz ist keine unkomplizierte Sache – weder bei Nachthemden noch bei Unternehmen. Für den richtigen Durchblick muss man raffiniert schneidern.

Die Republik AG ist ein kleiner, aber ziemlich komplexer Konzern. Einige Konstruktionsteile sind völlig neu – und die prüfenden Juristen hatten Tränen in den Augen, halb aus Begeisterung, halb aus Verzweiflung.

Die Komplexität verdankt sich paradoxerweise dem Umstand, dass wir bei der Gründung ein sehr einfaches Ziel setzten: Wir wollten eine Institution gründen.

Unsere Vorgaben waren die folgenden:

1. Die Unabhängigkeit der Redaktion ist das Wichtigste. Das heisst: Die Geldgeber sollen keinen Einfluss haben.

2. Die Konstruktion muss sturmfest sein: gegen den Sturm der Zeit, aber auch den Sturm in den Köpfen. Weder Geldgeber noch Gründerinnen noch Erbinnen von Gründern sollen auch in dreissig Jahren die geringste Chance bekommen, die Macht zu übernehmen.

3. Wer stattdessen zunehmend Einfluss erhalten soll, sind Sie: die Verleger und Verlegerinnen.

4. Die «Republik» muss mindestens selbsttragend werden, um unabhängig zu sein. Denn Zuschussunternehmen sind auf die Gnade anderer Leute angewiesen. Und dann wollen wir mehr als nur ein Magazin für brauchbaren Journalismus: ein brauchbares Modell für Journalismus. Und das ist es nur, wenn es rentiert.

Das Mutter-Kind-Modell

Nur: Wie setzt man das in Paragrafen um?

In einer ersten Version des Konzerns planten wir eine gigantische Aktiengesellschaft: Jede Abonnentin sollte automatisch Aktionärin werden. Das hätte durchaus Charme gehabt: mit einer elegant gestalteten Aktie, ausdruckbar sogar in Postergrösse. Und einer Generalversammlung im Hallenstadion.

Diesen Plan verfolgten wir den ganzen letzten Winter. Drei Juristen gaben grünes Licht. Der vierte gab rotes: Denn das Schweizer Aktienrecht hätte uns gezwungen, den Aufenthaltsort jedes Aktionärs, jeder Aktionärin laufend nachzutragen. Die Folge wäre gewesen, dass das Unternehmen in Bürokratie ertrunken wäre.

Also bauten wir – anfangs schweren Herzens – den Plan von Grund auf neu. Und entwarfen zwei Unternehmen, die je an einem unserer zwei Ziele arbeiteten:

Die Project R Genossenschaft. Ihr Job ist die Förderung der Institution Journalismus: durch die Entwicklung von (auch für Konkurrenten) brauchbarer Open-Source-IT. Durch Ausbildungsplätze. Durch ein Labor für Innovation und Produktentwicklung. Durch einen Fonds für die Finanzierung von grossen Geschichten, grossen Recherchen, grossen Ideen. Project R soll gemeinnützig sein und finanziert sich durch Mitgliederbeiträge und Spenden.

Project R ist dazu gebaut, verschiedene journalistische Projekte zu lancieren. Wobei das erste – und für lange Zeit wichtigste – das folgende ist:

Die Republik AG. Ihre einzige Aufgabe ist die Herausgabe des digitalen Magazins «Republik». Sie beinhaltet die Redaktion, die IT-Abteilung (beides soll langfristig verschmelzen) plus einen Hauch Marketing. Sie finanziert sich durch den Verkauf von Abonnements, teils direkt im Leserinnenmarkt, teils an alle Mitglieder von Project R. Die «Republik» hat das Ziel, mittelfristig rentabel zu sein. Zur Anschubfinanzierung wirbt sie Investoren.

Die Idee hinter dieser Doppelfirma ist, dass wir die Aufgaben trennen: Project R hat die Institution des Journalismus im Blick, die Republik AG soll sich auf die Praxis konzentrieren.

In den ersten Jahren ist diese Idee noch Papier: Project R und «Republik» sind personell, räumlich, vom Geldstrom und vom Schicksal her eng verzahnt. Aber mit der Zeit soll die Verbindung immer loser werden, bis die Gesellschaften eines Tages beinahe unabhängig existieren – so wie Mutter und Kind.

(Ausführlicheres finden Sie in unserem Newsletter vom März: hier.)

Die erste Finanzierungsrunde

Ein realistisches Projekt für den kleinen Schweizer Medienmarkt zu planen, war nicht gerade einfach. Jedenfalls für uns. Von den ersten Skizzen bis zum fertigen Businessplan brauchten wir drei Jahre.

Anfang Sommer 2016 fand die wichtigste Sitzung von nun Hunderten des Unternehmens statt: die mit den ersten möglichen Geldgebern, den Gebrüdern Meili.

Das Entscheidende an dieser Sitzung, bei der der Businessplan vorgestellt und debattiert wurde, waren ein «Ja» und zwei «Aber». Es gab Interesse an einer Investition, aber nur unter zwei harten Bedingungen. Die eine kam von den Brüdern, die andere von uns. Es waren:

  • Die Meili-Brüder hatten durch ihre datuma AG für Projekte genug Erfahrung mit Start-ups, um den Schwachpunkt in unserem Gründungsteam zu sehen. Sie wussten: Die meisten Projekte scheitern aus Mangel an Marketing, Buchhaltung, Organisation. Und sagten: «Ohne professionelle Geschäftsführung und ohne Finanzer sehen Sie von uns keinen Rappen.»

  • Wir hingegen wollten nicht, dass irgendwer sein Geld in ein chancenloses Projekt verschleudert. Deshalb sagten wir, dass wir eine Investition nur unter einer Bedingung annähmen: dass wir zuvor einen echten Markttest bestehen müssen. Wir einigten uns auf ein Crowdfunding mit mindestens 3000 Unterstützerinnen und Unterstützern sowie einem Ziel von 750’000 Franken.

Ende Sommer kam Susanne Sugimoto als Geschäftsführerin an Bord, kurz darauf François Zosso als Finanzchef. Und wir begannen – neben der vollständigen Überarbeitung der Rechtsstruktur – mit der Planung eines nervenzerfetzenden Crowdfundings.

Davor lag eine Periode des Geldsammelns. Sie brachte uns zwei Überraschungen. Die erste: Sie war kurz. In knapp zwei Monaten hatten wir 3,5 Millionen Franken für die Anschubfinanzierung zusammen. (Das war zwar nur die Hälfte der projektierten 7 Millionen Franken bis zum geplanten Break-even nach sieben Jahren, aber wir brachen die weitere Suche nach Geld ab. Wir hatten das Gefühl, dass wir nun weiterarbeiten mussten.) Die zweite Überraschung war, dass mehrere Leute substanzielle Beträge nicht in Aktien investieren wollten, sie wollten sie spenden. (Mehr dazu später.)

Das Rechtliche blieb komplex. Die Project R Genossenschaft wurde Ende Januar 2017 gegründet. Aber die Republik AG wurde erst sechs Tage vor dem Crowdfunding beim Handelsregister eingetragen, am 20. April 2017.

Das Crowdfunding selbst war dann die wildeste Überraschung. Wir hätten nie mit so viel Entschlossenheit, ja Tollkühnheit unserer zukünftigen Verlegerschaft gerechnet. Was im Voraus wie ein Sprung über die Klippe ausgesehen hatte, entpuppte sich im Nachhinein als Gang über die Türschwelle. Nach sieben Stunden hatten wir unser wichtigstes Ziel erreicht, nach vier Wochen standen wir im Jahr vier des Businessplans. Es war ein Erfolg jenseits aller Wahrscheinlichkeit, jenseits aller Planung.

Am Ende sah die Bilanz so aus: An reinen Mitgliedschaften kamen 3,2 Millionen Franken (ohne Spenden) zusammen. Und an Verantwortung kam eine Tonne Gewicht pro Person als Zugabe dazu, alle Versprechen zu halten. Vor allem deren wichtigstes: es nicht zu vermasseln.

Geld und Aktien

Der Grund, warum wir das Versprechen der Klarheit über die Finanzierung der Republik AG erst jetzt einlösen, ist nicht zuletzt: ihre Komplexität. Der Aktionärsbindungsvertrag wurde noch im April unterschrieben. Er umfasst 17 Seiten Juristenprosa in 8-Punkt-Schrift, darunter einige Pionierkonstruktionen. Diese wurden notwendig, um Geld und Macht zu trennen.

Aber um die neuen Aktionäre tatsächlich an Bord zu holen, braucht es eine Aktienkapitalerhöhung mit der Schaffung neuer Aktientypen. Dies passiert gerade.

Zusammengefasst kann man sagen, dass alle Geldgeber stimmenmässig in der Republik AG krass benachteiligt werden – dafür bei der Zurückzahlung ihrer Investitionen im Fall eines Gewinns bevorteilt. Dies deshalb, weil wir die Republik eines Tages fremdgeldfrei haben wollen. Also komplett unabhängig von allem, ausser den eigenen Irrtümern.

Überdies haben wir darauf geachtet, dass auch keine andere Interessengruppe die Mehrheit hat: Das grösste Paket von 47,4% besitzt die Project R Genossenschaft als Vertreterin der Leserinnen und Leser. Ebenso viel besitzen die Gründerinnen und Gründer und die Mitgründer zusammen. Das heisst: Niemand kann allein das Schicksal der Republik AG bestimmen.

Technisch gesehen lösten wir das Machtproblem so, dass wir zwei Typen von Aktien geschaffen haben:

Typ A: Eine Stimmrechtsaktie mit 10 Rappen Nominalwert.

Typ B: Investorenaktien mit 40 Rappen Nominalwert. (Eine Stimme kostet viermal so viel.)

Diese Aktien verteilen sich wie folgt auf folgende natürliche und juristische Personen:

Gründungsteam: 490’000 A-Aktien (47,4% der Stimmen, 43,2% des Kapitals)

Diese Aktien gehen zum Nominalwert an das Planungsteam, das im Frühling 2017 an Bord war: Christof Moser, Clara Vuillemin, Laurent Burst, Nadja Schnetzler, Constantin Seibt, Susanne Sugimoto. Dazu kommen die ersten wagemutigen Mitarbeiter: Patrick Recher, Thomas Preusse, Richard Höchner, dann die Verwaltungsräte Sylvie Reinhard und François Zosso sowie zwei unverzichtbare Ratgeber: Tobias Peier, dessen Firma Bodara das «Republik»-Design entwirft, und der Werber David Schärer, der uns (ohne Honorar, aber aus Freundschaft und Abenteuerlust) bei der Kampagne von Zeit zu Zeit unterstützte.

Eigenaktien Republik AG: 20’000 A-Aktien (1,9% der Stimmen, 1,8% des Kapitals)

Diese sind reserviert für ein Programm für Mitarbeiter und Komplizinnen, das Mitte 2018 ins Laufen kommt, sobald die «Republik» den Start überstanden und den Kopf wieder frei hat.

Project R: 490’000 A-Aktien (47,4% der Stimmen, 43,2% des Kapitals)

Die Genossenschaft vertritt die aktuell rund 14’500 Verlegerinnen und Verleger.

Geldgeber: 33’334 B-Aktien (3,2% der Stimmen, 11,8% des Kapitals)

Der Grund für die niedrige Stimmkraft der Geldgeber ist nicht nur der vierfach höhere Preis pro Stimme, sondern vor allem die Klausel, dass der absolute Löwenanteil des investierten Kapitals nicht in Aktien, sondern in ein Darlehen mit Rangrücktritt fliesst.

Als Ausgleich für die Stimmbenachteiligung wird dieses Darlehen im Fall eines Gewinns bevorzugt bedient. Die Regel für diesen Fall lautet: Ein Drittel fliesst als Investition in die Weiterentwicklung, ein Drittel in die Reserve, ein Drittel in die Dividende. Letzteres aber erst, wenn alle Darlehen komplett zurückgezahlt sind. Sonst fliesst das Drittel in die Rückzahlung.

Die Geldgeber für die Anschubfinanzierung sind:

  • Die Brüder Daniel, Martin und Marcel Meili. Sie sind in der Rechtsform einer einfachen Gesellschaft an der Republik AG beteiligt. Sie sind nicht nur Aktionäre unseres Unternehmens, sondern auch seine Vermieter: Ihnen gehört das Hotel Rothaus, wo sich unsere Büros befinden.

  • Die Mettiss AG – eine ehemalige Textilfirma in St. Gallen, die in den Immobiliensektor wechselte. Die Beteiligung an der Anschubfinanzierung der «Republik» macht die Mettiss AG im Rahmen ihres sozialen und kulturellen Engagements. (Um Ihnen alle Informationen zu geben: Einige Aktionäre der AG sind mit der Project-R- und «Republik»-Gründerin Nadja Schnetzler verwandt.)

  • Steff Fischer, Gründer der Zürcher Immobilienfirma Fischer AG. Und gelegentlicher Gastgeber bei Monstersitzungen der «Republik».

Hier die Tabelle in der Übersicht (immer aktuell auf www.republik.ch/aktionariat):

Willkommen, Aktionäre, es ist eine Freude, Sie an Bord zu haben!

(Übrigens: Der Grund, warum Clara Vuillemin und Patrick Recher je nur 3,9% der Aktien haben: Die IT-Chefin teilte die Aktien mit ihrem ersten Programmierer.)

Spenden und Lärm

Eines der Dinge, die uns bei der ersten Finanzierungsrunde im Herbst 2016 erstaunten, war, dass mehrere grosse Geldgeberinnen und Geldgeber keine Aktien wollten. Neben den 1,5 Millionen Franken durch Aktionäre und den 3,2 Millionen Franken durch Abonnements gingen bis heute 2,2 Millionen Franken an Spenden ein: einige grosse, eine Handvoll mittlere, Hunderte kleine.

Die Bedingung mehrerer Spenderinnen und Spender war Anonymität. Sie verzichteten im Gegenzug auf Kapitalrückzahlung und Stimmrecht. Ihr Motiv war folgendes: Sie sahen die Notwendigkeit, die Institution Journalismus zu stützen, wollten aber den Lärm vermeiden, den dieses Engagement verursacht.

Diese Mischung aus Diskretion und Grosszügigkeit verblüffte uns. Wir hatten nicht damit gerechnet. Nach längerer Debatte beschlossen wir, darauf einzugehen. Aus folgenden Gründen: 1. Die Spender waren weder politisch aktive Persönlichkeiten noch machten sie (ausser ihrer Anonymität) die geringsten Vorgaben. 2. Selbst die Spenderinnen einer grösseren Summe haben weniger Macht als jeder reguläre Abonnent: Sie erhalten nicht einmal ein Abonnement. 3. Selbst wenn sie Einfluss hätten: Zwischen der Project R Genossenschaft und der Redaktion der «Republik» besteht eine hart definierte Mauer gegen Einflussnahme. 4. Selbst gegen eventuelle Ermittlungen unserer Rechercheprofis hätten die Spender keinen Schutz: Ausser dem Gründungsteam, unserem Finanzchef und einem Tresor kennt keiner ihre Namen.

Damit an alle unsere anonymen Spenderinnen und Spender: Wir hätten Ihnen gern auch öffentlich für Ihre Grossherzigkeit und Entschlossenheit gedankt. Und hoffen, das auch eines Tages tun zu können. Falls Sie diesen Brief lesen, wir tun es hier!

Aktien und Macht

Aber zurück zur Machtfrage in der Republik AG. Macht ist süss – deshalb folgt der Überblick über ihre Verteilung in einem Donutdiagramm:

Aktionariat Republik AG nach Anzahl Stimmen

Und nun zur entscheidenden Frage: Wer hat wie viel zu sagen?

Die Spenderinnen und Spender: Nichts. Ausser, dass sie ihren Namen aus dem Spiel halten können.

Die Geldgeberinnen und Geldgeber: Wenig. Ihre Stimmen sind erst dann entscheidend, wenn das geschlossene Team der Gründerinnen und Gründer gegen die Project R Genossenschaft stimmt.

Die Gründerinnen und Gründer: Etwas mehr. Es genügt momentan eine Gründerin, die mit Project R stimmt, damit die Mehrheit feststeht.

Die Project R Genossenschaft: Sie hat viel zu sagen – kaum überraschend bei einem Mutter-Kind-Modell. Das nicht zuletzt deshalb, weil Project R quasi die gesamten Entwicklungskosten der Republik AG übernimmt: Weil der Deutschschweizer Markt klein ist, Medien Hochrisikoprojekte sind und wir die «Republik» so unbeschwert wie möglich starten lassen wollten, damit sie Chancen auf Erfolg hat.

Etwas entschärft wird die Machtstellung von Project R durch die Tatsache, dass die «Republik» ihr einziges – und auf lange Zeit wichtigstes – Projekt ist:
Project R hat jedes Interesse, ein erfolgreiches Kind zu haben, ein Streit würde beide umbringen.

Bei Project R ist der Vorstand zum Start auf drei Jahre gewählt: zwecks Stabilität. Danach haben die Verlegerinnen das Sagen – durch die Wahl des Genossenschaftsrats, der jährlich den Vorstand wählt oder abwählt.

Damit zu Ihnen, Verlegerinnen, Verleger: Sie halten ab 2020 das Unternehmen zu einem erheblichen Teil in Ihren Händen. Davor haben Sie – zwecks Einübung in die Verantwortung – einige Rechte: Das wichtigste davon ist die aufrichtige Information – über Strategien, Entscheidungen, Irrtümer, Erfolge in Verlag und Redaktion. Und Sie haben Einfluss: durch Vorschläge, Kommentare und gelegentliche Abstimmungen bei schwierigen Fragen. Wir wären glücklich, wenn es uns gelänge, Sie lange an Bord zu haben. Verleger zu sein, ist ein Job fürs Leben.

Aktien und Geld

Was das Finanzielle angeht, besteht übrigens ziemliche Sicherheit, dass niemand von den Gründungsmitgliedern reich sterben wird – ausser hoffentlich reich an Erfahrung. Dies, weil im Erfolgsfall der Republik AG zuerst sämtliche Darlehen zurückgezahlt werden, bevor ein Franken an Dividende fliesst.

Und dann, weil die Aktien der Republik AG faktisch so gut wie unverkäuflich sind. Wer immer verkaufen will, muss seine Aktien zuerst allen anderen Aktionärinnen (beginnend mit Project R) anbieten. Nicht einmal vererben lassen sich die Aktien: Beim Tod eines Aktionärs, einer Aktionärin erhalten die Erben automatisch den Verkaufsvertrag. Dies deshalb, damit sich nicht die übliche Tragödie vieler Verlegerfamilien wiederholt: Irgendwann sitzen Erben im Verwaltungsrat, die weder eine Ahnung von Journalismus haben noch ein Interesse an ihm.

Kurz: Die Gründung der Republik AG ist für ihre Mitglieder die Lizenz für Verantwortung und Abenteuer. Aber nicht für Wohlstand. Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man nicht nur ein Unternehmen gründen will, sondern eine Institution.

Aber das ist erst ferne Zukunft. In ihren ersten Jahren bleibt die Republik AG ein Hochrisikoprojekt – trotz des Erfolgs beim Crowdfunding. Denn die Deutschschweiz ist ein extrem kleiner Markt, das Internet eine höchst volatile Umgebung und Journalismus ein Gewerbe, in dem nur der hohe Fixkostenblock sicher ist.

Die Lage ersehen Sie aus folgender Grafik, die zwar für den Betrachter extrem langweilig ist, für unser Unternehmen jedoch dramatisch:

Mitgliedschaften Project R / Abonnements Republik

Die Kurve zeigt die Zahl der Verlegerinnen und Verleger vom Start des Crowdfundings bis heute – das Ziel ist die Linie bei 25’000 Mitgliedern und Abonnentinnen, bei der wir auf der sicheren Seite sind.

Es ist quasi unsere Schicksalsgrafik. Erreicht die grüne Fläche die schwarze Linie, lebt die «Republik», schneidet sie sie nie oder zu spät, stirbt die «Republik».

So lächerlich simpel das Ziel ist, so lächerlich komplex sind die Massnahmen, um es zu erreichen. Momentan laufen bei uns fieberhafte Vorbereitungen für den Start im Januar: Die ersten Redaktionsmitglieder kommen an Bord, die ersten Texte werden geplant, die IT hat eine To-do-Liste, so lang und tückisch wie das Tentakel eines Tiefseekraken, die Geschäftsleitung arbeitet (neben tausend anderen Dingen) an der zweiten Finanzierungsrunde, zwecks Planungssicherheit. Wir werden diese brauchen, denn für das, was wir vorhaben, gibt es noch keine Erfahrungswerte.

Und wir werden Sie, liebe Verlegerinnen und Verleger, brauchen können: Ihre Kritik, Ihre Neugier, Ihre Geduld, Ihre Jahresgebühr. Und als Teil dieses Unternehmens.

Überstunden für alle

Der letzte Absatz wäre ein passender Schluss für diesen Finanznewsletter: eine Mischung aus einem Hauch Schmeichelei, einem Hauch Drohung und einer aufrichtigen Brise Wahrheit.

Aber als Verleger, Verlegerin geht Ihnen die Arbeit nicht aus. Am Ende wollen wir Ihnen noch vier Mitarbeitende aus der Verlags- und Teppichetage vorstellen:

Sylvie Reinhard, 37

Verwaltungsrätin

Keine von allen Herausforderungen der Republik AG ist für sie neu: Reinhard hat drei Start-ups von innen, Hunderte Start-ups von aussen und tausend Start-up-Gründer von Nahem gesehen. Kaum aus dem Gymnasium, gründete sie die Web-Security-Firma Dreamlab mit und arbeitete bis 25 durch, bevor sie nach New York ging, um dort zur Abwechslung zu leben (und Schokolade und Alkohol zu verkaufen). Ein Jahr später kehrte sie wieder zurück in die Schweiz, zog in Genf die Konferenzfirma Lift hoch – und organisierte Techkonferenzen für Nerds, Unternehmerinnen und Künstler an Orten wie Seoul oder Shanghai. 2014 wechselte sie die Seite, vom Aufbauen zum Unterstützen kühner Pionierprojekte mit dem Förderfonds der Migros-Gruppe. Nach zwei Jahren machte sie ein doppeltes Spin-off: Sie gründete die Firma crstl, die soziale und kreative Start-Ups findet, testet und coacht (auch, aber nicht nur für die Migros). Und sie wurde Mutter einer Tochter. Bei der Republik AG arbeitet Reinhard im Verwaltungsrat, als Spezialistin für unbarmherzige Fragen.

Philipp von Essen, 35

Geschäftsstelle

Von Essen lebte seine ersten sieben Jahre in Ostberlin. Dann reiste seine Mutter mit ihm aus, zwei Tage vor dem Fall der Mauer. In den ersten Wochen in Volketswil staunte von Essen über die vielen Farben und fragte sich, warum in der Schule gespielt wurde statt gelernt. Er brauchte zehn Jahre, um wirklich anzukommen. Nach der Matur zog er nach Zürich und sah sich bei Theater und Film um – dann studierte er Betriebswirtschaft. Gleichzeitig mit dem Abschluss wurde er Vater, arbeitete für die Stadt, erst im Stadthaus, dann im Zentrum Karl der Grosse. Danach ging er als Zimmermann ein Jahr auf die Baustelle. (Von Essen ist gut mit Holz, in seiner Jugend baute er ein kleines, aber zweistöckiges Holzhaus im Garten.) Nach einem Jahr als Assistenz des Rektorats bei der F+F-Schule wechselte er zur «Republik», an der er das Tempo schätzt, «das Tempo des Irrtums, das Tempo der Korrektur des Irrtums». In dem Wirbel des Aufbaus ist von Essen der Mann für den Kundendienst, das Büromaterial, alles Konkrete. Andere machen Architektur und Pläne, er ist der Unternehmenszimmermann.

François Zosso, 55

Finanzchef

Zosso sah, wie sein Vater um halb neun aus dem Haus ging und um halb sechs wieder da war. Und wusste, was er wollte: einen Job im Büro. Auf dem Weg dazu ging er fast ohne Zögern vor. Kaum hatte er das Wirtschaftsstudium begonnen, brach er ab und heuerte in einer Treuhandbude an. In den zwanzig Jahren danach erlebte er fast alles, was Firmen sein konnten: 1. Kontinuität: Zosso arbeitete als Controller bei Hilti, einem Bohrmaschinenunternehmen «mit Superführung». Der Ton war zwar rau, «weil der Handwerker, der flucht» – dafür war Hilti durch die Nähe zu den Bauarbeitern immer bestens über die eigenen Produkte informiert. 2. Abstieg. Der Schuhkonzern Bally, berühmt für seine solide Ware, versuchte fancy zu werden – «ein klassischer Strategiefehler: Du stösst von dir, was dich stark macht.» Bally schrumpfte in Zossos Zeit als Finanzchef von 150 auf 50 Filialen. 3. Gründung: Zosso baute den gesamten Finanzbereich für Mediamarkt auf, der in die Schweiz einmarschierte: «Es war extrem lehrreich, alles neu zu überlegen, jeden Ablauf, jedes Formular.» 4. Boom: Bei Alcatel sah Zosso, ebenfalls als Finanzchef, den Tech-Hype (der Chef wurde Manager des Jahres, alle kassierten übertriebene Löhne) und den Absturz (der Manager des Jahres wurde entlassen). 2002 verwirklichte Zosso den Plan, selbstständig zu werden. Den Löwenanteil verdient er mit der Beratung von Spitälern für Betriebssoftware, daneben hat er diverse Mandate. Seit 2016 ist Zosso Finanzchef für Project R und die «Republik».

Nadine Ticozzelli, 34

Marketing und Kommunikation

Nadine Ticozzelli wuchs in Zürich-Seebach auf, zwischen Betonblöcken und Waldrand. Sie startete mit 15 ins Berufsleben: Sie machte eine Lehre bei Foto Bäumli. Dort lernte sie, was sie wollte: Fotografie – sie hat mittlerweile 67 Hochzeiten hinter sich. (Ihr Tipp: Man soll seine Hochzeit nicht übertrieben über Niveau planen, sonst wird alles steif.) Und sie entdeckte ein Talent: Verkauf. Nach der Lehre verkaufte sie fünf Jahre Profikameras. Danach arbeitete sie als Kommunikationsplanerin und Beraterin für eine Reihe von Agenturen, darunter Wirz und Hochspannung. Sie suchte einen Job der Sinn stiftet, wechselte zu World Vision und dann als Marketingverantwortliche in den Bio-Fachhandel zu Terra Verde. Dass sie die Sekundarschule mit 15 aus Langeweile verliess, rettete sie nicht vor dem Lernen: die Handelsschule, das Diplom für Kommunikationsplanung, aktuell steckt sie im Lernen auf die Matur. Zur «Republik» kam sie diesen Monat: Sie hat die Aufgabe, von den zehn Bällen des Unternehmens «etwa fünf» mit in der Luft zu halten.

Geschätzter Verleger, geschätzte Verlegerin, danke für Ihre Hartnäckigkeit, dieses nicht gerade unkomplexe Finanzmemo bis zum Ende gelesen zu haben. Wir hoffen, Sie im Gegenzug bei Personal, Finanzierung und Machtverhältnissen Ihres Verlags auf den aktuellen Stand gebracht zu haben.

Es wäre schön, Sie am 4. Dezember (siehe PS) in Zürich zu sehen – und Ihnen dort persönlich die Leute aus Verlag und Redaktion und kurz vor dem Start die neuesten Pläne der hochriskanten Institution vorzustellen, die Sie – so wie alle Investoren, Spenderinnen, Mitarbeiter, Gründerinnen – im Sack gekauft haben.

Mit Dank für Ihren Mut, dass Sie dabei sind!

Ihre Crew von Project R und der «Republik»

PS: Interessieren Sie sich für eine Vorschau auf den Start der «Republik», dann kommen Sie doch am 4. Dezember um 20 Uhr in den Kosmos an der Europaallee in Zürich. Dort stellt die Redaktion unter dem Titel «Stand der Arbeit, Stand des Irrtums» genau das vor, die ersten Einblicke in Redaktionsaufbau, Pläne, Ideen, und stellt sich Fragen und Warnungen des Publikums. (Türöffnung ist um 19.30 Uhr, je frühzeitiger, desto sicherer der Sitzplatz. Der Eintritt ist frei.)

PPS: Eine der wichtigsten Aufgaben von Project R ist die Ausbildung von journalistischem Nachwuchs. Für den ersten Jahrgang suchen wir vier Leute mit Mut und Talent. Die Ausbildung startet im Mai 2018. Die Bewerbungsfrist läuft bis 30. November. Das Programm und die Bewerbungsunterlagen finden Sie hier.

PPPS: Weihnachten naht. Eine der perfekten Ideen, falls Sie ein Geschenk suchen, ist das Jahresabonnement für die «Republik» (eventuell perfektioniert mit «Republik»-Tasche oder -Notizbuch). Perfekt ist die Idee, weil die «Republik» unseres Wissens das einzige Geschenk ist, das man ebenso effizient seinen Freunden wie seinen Feinden schenken kann. Den Link finden sie hier.

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